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Raumer an Böckh.
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Mit Rücksicht auf die jetzigen Verhältnisse möchte
ich unterscheiden:
!) Die prosodische Behandlung '), wo das quanti¬
tative Verhältniß der Kürze und Länge.der Sylben
immer nur wie eins zu zwei bleibt (^ ^), und
weder darüber hinausgehen kann (etwa eins zu drei u.s.w.),
noch in kleinere Bruchtheile (etwa eins zu
I
^2 u. dergl.)
zerlegt wird. Die indische Methode, wo man bei angeblich
festem Sylbenmaße, lange und kurze Sylben nach Willkür
hinstellen darf, hebt in Wahrheit alles Zeitmaß auf.
2)
Die Rhythmik erlaubt das Verhältniß von eins
zu zwei zu überschreiten, und ebenfalls die ganzen Ziffern
in Bruchtheile aufzulösen (so in unfern freien Recitati»
ven); sie ist aber
3)
wesentlich von derjenigen Musik verschieden, welche
mit dem Takte ein ganz neues, hindurchgehendes, eigen-
thümliches Maß hinzufügt.
Was also Dionysius von der Prosa behauptet, scheint
mir ebenfalls gültig für die Prosodie: denn auch diese
darf die Kürzen nicht in Längen und die Langen nicht in
Kürzen verwandeln. Diese Freiheit beginnt erst bei der
musikalischen Rhythmik, und verbleibt auch der höheren
Musik; obgleich sich diese außerdem gern dem förderlichen
Gesetze des Taktes unterwirft, und so mehre Glieder
oder Sätze, als größere, ähnliche, correspondirende Ein¬
heiten betrachtet und behandelt.
Wenn, wie Dionysius berichtet (c. 19, S. 13l)
Stesichorus und Pindar größere Perioden bildeten, welche
aus mannigfaltigen Gliedern bestanden, so behielten doch
die Sylben beim bloßen Skandiren das Verhältniß ein¬
facher Längen und Kürzen (l: 2), sobald nicht ein eigentlich
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