/ 21 pages
Antiquarische Briefe (1851)
Search


Zehnter Oriek.
Raumer an Bö

Aein Mensch kann weniger Anlage haben als ich, die
Feinheiten der Grammatik und Metrik fremder Sprachen
zu begreifen; und dennoch verführt mich einige Kenntniß
der Musik bisweilen (so in meinem Aufsatze über Emipides)
bis an das Metrische wenigstens hinan zu streifen; dann
jedoch nicht vorlaut zu entscheiden, sondern bescheiden zu
fragen.

So finde ich zwei Stellen in der Schrift des Dio-
Nysius von Halikarnaß lie compusitione vei-bolum, über
welche ich von Ihnen Belehrung erbitte. Es heißt daselbst
(c. l l, S. 64 der reiskischen Ausgabe), wenn ich den
Sinn treffe: Die Prosa thut dem Zeitmaße der Wörter
keine Gewalt an, noch stellt sie dasselbe um; sondern
wie sie die Sylben empfängt, lang oder kurz, so bewahrt
sie dieselben. Rhythmik und Musik hingegen verändern
die Sylben durch Minderung oder Mehrung, so daß sie
oft bis ins Entgegengesetzte übergehen. Es muffen sich
nämlich die Sylben nach der Zeit, und nicht die Zeit
nach den Sylben richten.