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Rugier oder Russen in der Raffelstettener Zollurkunde? (1952)
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Rugier oder Russen
in der Raffelstettener Zollurkunde?

Von Erich Zöllner.

Als wichtigstes und zugleich letztes Dokument der Wirtschafts¬
geschichte des karolingischen Südostens genießt die Zollordnung von
Raffelstetten 1 ) seit langem Wertschätzung und Aufmerksamkeit der
historischen Forschung. Die Ausführungen dieses Zeugnisses über die
Entscheidungen einer königlichen Kommission zur Zollerhebung in der
Ostmark knapp vor dem Magyarensturm sind allerdings nicht immer
eindeutig und haben deshalb zahlreiche wissenschaftliche Kontroversen
ausgelöst: man denke bloß an die ominösen tres comitatus". Unsicherheit
herrscht auch hinsichtlich der Festlegung einiger geographisch-ethnischer
Eigennamen des Dokuments. Das gilt besonders für den Beginn von § 6 :
„Sclavi vero, qui de Rugis vel de Boemanis mercandi causa exeunt,
ubicunque iuxta ripam Danubii vel ubicunque in Rotalariis vel Reodariis
loca mercandi optinuerint : de sagma unam, de cera duas massiolas . . . " 2 )

Das heißt nun etwa : Die Slawen, die von den „R u g i" und von
den Böhmen um Handel zu treiben kommen und irgendwo im Gebiet
der „R o t a 1 a r i i" und der „R e o d a r i i" Handelsplätze aufsuchen
wollen, die zahlen ein Maß vom Honig, zwei vom Wachs. Die Frage ist nur,
wer ist mit den Rugi, den Rotalarii und den Reodarii gemeint. Nur kurz
wollen wir zu den beiden letztgenannten Namen Stellung nehmen. Da
im vorhergehenden Kapitel von der Erms, vom Traungau und von der
Url die Rede ist, kann man auch hier an die oberösterreichische bzw. an
den westlichen Teil der niederösterreichischen Donaustrecke denken. So
wird man Josef Lampel zustimmen dürfen, der bei den „Rotalarii" an
die Anrainer der Rodl im Mühlviertel dachte 3 ), während uns Krauses
und Friedrichs Deutung auf das Tal der Rott 4 ) zu weit nach Westen
führt. Die Reodarii sind Bewohner eines Rodungslandes, entweder Ried-

x ) Gedruckt zuletzt bei (Krause) Mon. Germ. Capitularia II (1896) 249, Nr. 253,
und bei Friedrich, Codex diplomaticus Bohemiae I (1904) 33, Nr. 31.
2 ) MG. Capit. II, 251, § 6; Friedrich I, 35, § 6.

8 ) J. Lampel, Untersuchungen und Beiträge zum historischen Atlas von Nieder
Österreich. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 1 (1902) 25, Anm. 3.

4 ) MG. Capit. 2, 251, Anm. 20, Friedrich 35, Anm. 17 (so schon in Monumenta
Boica 32 b, 415 f.).

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