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Die Schlacht auf dem Lechfeld - Aus: Blätter für Heimatkunde ; 29.1... (1955)
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durch Süddeutschland über den Rhein vorgedrungen und hatten ihre
Streifzüge bis nach Brabant und Nordfrankreich ausgedehnt, um mit
reicher Beute, wenn auch durch harte Kämpfe geschwächt, über Burgund
und Oberitalien heimzukehren. Als sie im nächsten Jahre, von Ruhm¬
sucht und Beutegier getrieben, zu neuer Kriegsfahrt aufbrachen, mußten
sie freilich der veränderten Lage in Deutschland Rechnung tragen. Ge¬
rade die Verbindung mit ihnen hatte Ottos aufständischen Gegnern
schwer geschadet und die Sache des Königtums moralisch gestärkt;
überall war seine Autorität wiederhergestellt worden, zuletzt im Früh¬
jahr 955 in Bayern durch seinen Bruder Heinrich, zu dessen Herzogtum
die Partei des verdrängten liutpoldingischen Herzogshauses in nicht un¬
gefährlicher Opposition stand. Nur mit den ostelbischen Slawen waren
noch schwere Auseinandersetzungen im Gange. Die Ungarn kannten die
Situation aus den Berichten ihrer Kundschafter. Wollten sie diesmal
einen Zug wagen, dann mußten sie eine größere Kriegsmacht denn je
aufbieten. Deren Vernichtung aber mußte für das ganze Volk ent¬
scheidende Folgen zeitigen.

Unsere Kenntnis von den Magyarenkämpfen des Sommers 955 in
Süddeutschland beruht im wesentlichen auf zwei Quellen, die jedoch
beide nur unvollständige Informationen bieten. Der Geschichtsschreiber
der älteren Ottonen, der Mönch Widukind von Korvei, gibt uns in seiner
gegen Ende der Sechzigerjahre des 10. Jahrhunderts abgefaßten Sachsen-
geschichte 6 einen recht unklaren Bericht von der Lechf eldschlacht, deren
Verlauf er nur aus den Erzählungen Mitstreitender kennen konnte;
schlimmer ist, daß er offenbar von den örtlichkeiten, von Ottos An¬
marschweg und überhaupt von den geographischen Verhältnissen keine
konkreten Vorstellungen besaß und die Lückenhaftigkeit seines Wissens
zum Teil durch stilistische Anlehnung an antike Autoren zu verdecken
suchte. Hingegen besitzt die von einem Augenzeugen, dem Mönch Ger¬
hard, bald nach 983 geschriebene Vita Bischof Udalrichs von Augsburg 7
den Vorzug ausgezeichneter Lokalkenntnis, doch schildert uns der Hagio-
graph seinem Thema gemäß die Verdienste seines bischöflichen Herrn
um die Errettung Augsburgs sehr eingehend in hellstem Lichte, während
er Ottos Sieg über die Ungarn nur in allgemeinen Wendungen preist.

So erklärt es sich, daß in der Literatur eine lebhafte Diskussion über
die Frage geführt werden konnte, ob die Schlacht wirklich auf dem
Lechfeld, also auf der Ebene zwischen Lech und Wertach, südlich Augs¬
burg, stattgefunden habe. Sie muß mit Dümmler, 8 Ottenthai 9 und
Bresslau 10 gegenüber den Einwänden Dietrich Schäfers, 11 Delbrücks 12
und anderer entschieden bejaht werden, denn der Biograph Udalrichs
erzählt an anderer Stelle seines Werkes, die heilige Afra sei dem Bischof

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