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Fremdenverkehr an der Höhensiedlungsgrenze ... (1960)
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208 Forschung und Schrifttum

Schule zu kämpfen hatten und die dann ausführlich von Lehmann 9 ) dis¬
kutiert wurden. Das dabei auftretende, dem Geographen vertraute Grenz¬
saumproblem, bezieht sich jedoch stets auf die reale, vom Menschen tat¬
sächlich erreichte Siedlungshöhe. Gerade im Hochgebirge kann aber, von der
realen Grenze abgesehen, auch eine absolute Grenze der Oekumene sehr
genau festgelegt werden. Bei den globalen und klimaregionalen Grenz¬
linien ist das seltener der Fall, wie es z. B. aus Schiengers 4 ) Untersuchung
über die Schranken im Wirtschaftsaufbau der Sowjetunion hervorgeht, wo
die polare Grenze eine erhebliche Rolle spielt.

Unter der absoluten Höhengrenze wird hier nicht die physische Grenze
verstanden, oberhalb derer dauerndes menschliches Leben unmöglich ist
und die, bei 5000 Metern liegend, aus der vorliegenden Betrachtung aus¬
scheidet. Vielmehr rücken in dem hier dargestellten speziellen Beispiel
die höchsten Siedlungen dicht an die Zungen von Talgletschern. Damit ist
ebenfalls eine für dauernde Ansiedlungen unüberschreitbare Höhengrenze
erreicht. Natürlich hat eine solche ebenfalls nur lokalen Charakter. So ist
sie in den ötztaler Alpen lediglich in den Tälern nördlich des Hauptkammes
ausgebildet, denn der Südabfall besteht aus aperen Hängen, die höchstens
kleine Firnmulden aufweisen. Die Siedlungsgrenze der Südtiroler Hoch¬
täler hängt folglich in erster Linie von der relief- und klimabedingten Mög¬
lichkeit ab, bei dauernden Wohnsitzen ausreichende Nutzflächen, d.h.
Weideflächen, anzulegen. Aber wo eine absolute Grenze fehlt, wirken viele
Faktoren zusammen, die die Siedlungsgrenze in Hochgebirgen bestimmen.
Neben den physiogeographischen Bedingtheiten dürfen vor allem auch die
kulturgeographischen nicht vernachlässigt werden. Die Wirtschafts- und
Kulturstufe der Bevölkerung, aber auch die Stärke des Bevölkerungs¬
druckes in den tieferen Regionen spielen eine entscheidende Rolle. Alle
diese Faktoren zu erfassen und in ihrer Wirkung gegeneinander abzu¬
wägen, die ganze Frage der Determination einer realen Höhengrenze, über¬
steigt bei weitem den Rahmen dieses Aufsatzes. Daher beschränkt er sich
auf ein Gebiet mit einer von vornherein durch natürliche Bedingungen klar
festgelegten Grenze in eisbedeckten Talschlüssen. Die iBehandlung der
Höhengrenze der Oekumene in größerem Rahmen bleibt einer späteren
Arbeit vorbehalten.

Die ötztaler Alpen sind die am stärksten vergletscherte Gruppe der
gesamten Ostalpen. Das vom Eis bedeckte Areal umfaßt rund 350 qkm
und übertrifft damit alle anderen natürlichen Gebirgseinheiten der Ost¬
alpen beträchtlich an Größe. Erst in weitem Abstand folgt mit 190 qkm
die Adamellogruppe 5 ). Der längste Gletscher der Ostalpen, der Gepatsch¬
ferner mit 10,3 km, liegt ebenfalls in den ötztalern, er wird freilich von der

s) Lehmann, O.: Der Begriff der oberen Siedlungsgrenze, seine Herkunft, seine
Bestimmungsmethoden und sein geographischer Wert. In: Mittn. d. Geogr. Ges.
Wien. 1913. S. 332—394.

*) Schienger, H.: Geographische Schranken im Wirtschaftsaufbau der Sowjet¬
union. In: Erdkunde. 5, 1951. S. 204—220.

i) Vgl. Krebs, N.: Länderkunde der österreichischen Alpen. — Stuttgart 1913. S. 113.