/ 15 pages
Die Gletscher der österreichischen Alpen 198... (1984)
Search


210 Gernot Patzelt

Der Witterungsablauf war im Gegensatz zu den beiden vergangenen Jahren wieder gletscher¬
günstig. Die Abschmelzperiode begann an den meisten Gletscherenden Anfang Juli sehr spät und
endete am 5. September ungewöhnlich früh. Sie war zudem durch Neuschneefälle mehrfach
unterbrochen, sodaß die Eisabschmelzung relativ gering blieb. Die Nettoablation auf der Zunge
des Gaißbergferners (Ötztaler Alpen) war 1984 um nahezu 30 % geringer als 1983. Die Massenbi¬
lanzen der untersuchten Gletscher waren ausgeglichen oder leicht positiv. Dies hatte zur Folge,
daß der Anteil der vorstoßenden Gletscherenden wieder etwas zugenommen hat und zwar von
37 % (1983) auf 52 % (1984). Der Anteil der zurückgeschmolzenen Gletscherenden hat von 50 auf
31 % abgenommen, verhältnismäßig hoch war mit 17% (1983 13%) der Anteil der stationären
Gletscher. Die mittlere Längenänderung von 95 Meßwerten ist mit +0,66 m wieder leicht positiv
(1983 — 1,11 m), wobei der durch Zungenzerfall extreme Rückzugsbetrag des Obersulzbachkeeses
von 148 m ausgeschlossen wurde. Mit Ausnahme dieses Gletschers sind die Rückschmelzbeträge
deutlich geringer gewesen, ebenfalls als Folge der geringen Abschmelzbeträge in diesem Sommer.

Einige bisher sehr aktive Gletscher haben trotzdem ihren Vorstoß eingestellt und weisen erst¬
mals wieder Rückzugsbeträge auf: Berglasferner, Schwarzensteinkees, Wildgerloskees. Auch der
Ochsentalgletscher deutete eine Trendumkehr an. Andere zeigten deutlich geringere Vorstoßbe¬
träge als bisher: Gaißbergferner, Taschachferner, Kesselwandferner, Längentalerferner, Frosnitz-
kees. Bei diesen Gletschern dürfte der Massenüberschuß der siebziger Jahre bereits ausgelaufen
sein.

Ganz gegensätzlich verhielten sich Mittelbergferner, Alpeinerferner und Zettalunitzkees, die
heuer erstmals klare Vorstoßbeträge aufwiesen und damit erst jetzt eine Trendumkehr anzeigten.
Erste Vorstoßanzeichen in Zungenteilen oder einzelnen Meßmarken ließen sich auch am Hall-
stätter Gletscher, Jamtalferner und Schlapperebenkees feststellen. An diesen trägen Gletschern
macht sich der Massenüberschuß der siebziger Jahre am Zungenende erst jetzt bemerkbar. Die
großen Gletscher der zentralen Ötztaler Alpen (Hintereisferner —7,8 m, Hochjochferner
11,5m, Niederjochferner —15,2 m) sowie die Pasterze ( — 9,1m) schmelzen nach wie vor
zurück, am stärksten das Obersulzbachkees (—148 m), dessen Zunge durch Eiseinbrüche weiter¬
hin zerfällt. Bemerkenswert ist ferner, daß bei einigen Gletschern (siehe Einzelberichte) linke und
rechte Zungenabschnitte unterschiedliches Verhalten aufwiesen und gebirgsgruppenweise deutli¬
che Unterschiede zu verzeichnen waren: Während in den zentralen Ötztaler Alpen die Wach¬
stumstendenz deutlich nachgelassen hat, haben sich in der Ankogel-Hochalmspitzgruppe die Vor¬
stoßanzeichen noch einmal verstärkt. Die regionale Verteilung der Tendenz der Längenänderung
zeigt Abb. 3.

Die aufgezeigten uneinheitlichen Veränderungen an den Zungenenden sind kennzeichnend
für eine Periode der Trendumkehr, die nach den Massenverlusten der vorangegangenen drei
Jahre auf ein Ende der Vorstoßperiode hin tendieren müßte. Diese Entwicklung kann durch das
etwas gletschergünstigere Haushaltsjahr 1984 vorläufig nicht aufgehalten werden.