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Hinweise für eine naturnahe Waldwirtschaft i... (1958)
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nur auf der Basis grundlegender Versuche getragen werden (11).
Wie bereits betont, zwingt hier schon der Standort zu einem
naturnahen Handeln, wenn nicht überflüssige Unkosten entstehen
sollen. Zur Ableitung einer, ihrer Gesinnung nach wirklich natur¬
nahen Methode, die ein optimales und nachhaltiges Wirtschafts¬
ziel sicherstellt, bedarf es jedoch vor allem genauer Kenntnisse
über die Standortsyerhältnisse und die Physiologie der in Frage
kommenden Holzarten. Im Hinblick auf den derzeitigen Zustand
weiter- Teile der subalpinen Stufe und die Aufgabenstellung von
heute kommt der Neubegründung von Beständen derzeit wohl
der Vorrang vor der Frage der Bestandesumwandlung zu. Unter
Hinweis auf mehrfache Veröffentlichungen der letzten Zeit, in
denen Einzelfragen behandelt wurden, sei auf die ökologischen
und physiologischen Voraussetzungen einer Aufforstungsmethodik
hier nur kurz eingegangen (1, 2, 3, 4, 7, 9, 17, 25, 26, 27, 28, 31).

I. Zur Frage des Standortes

Ein Gebirgsland ist immer ein Land der Gegensätze, weil sich
alle gerichteten Faktoren, wie Strahlung, Wind und Niederschlag
expositionsbedingt verschieden auswirken müssen (7). Dies wirkt
sich großräumig z. B. in der Kontinentalität des Innenalpen-
raumes aus, auf den sich die bisherigen Untersuchungen aus¬
schließlich bezogen, oder aber in der Beeinflussung der Windver¬
hältnisse durch Lage und Höhe der Gebirgszüge. Die Gegensätze
finden aber auch klein- und kleinsträumig in einem, für das Hoch¬
gebirge geradezu kennzeichnenden „Mosaikklima" ihren Ausdruck,
das sich in Bodennähe vor allem dann entscheidend auszubilden
vermag, wenn einmal der ausgleichende Schutz des Waldes fehlt;
also z. B. in großen Teilen der Kampfzone. Hier können Klein¬
klimagegensätze auf engstem Raum in einem Ausmaß auftreten,
das etwa den Großklimaunterschieden von vielen Breitengraden
entsprechen würde. Diese Unterschiede treten auf Entfernungen
von wenigen Metern auf und Flächeneinheiten von Quadratmetern
öder gar Quadratdezimetern (2). Eine naturnah aufgefaßte Wald¬
wirtschaft muß diesen kleinräumigen ökologischen Einheiten
Rechnung tragen, angesichts der entscheidenden Gegensätze, um
die es sich dabei handeln kann. Gutachten oder Vegetationskarten
bieten wohl eine gute Übersicht im Großen, genügen aber nicht
dem für die praktische Durchführung erforderlichen Maßstabe.

Im Anschluß soll vor allem von den für die Aufgabenstellung
bedeutungsvolleren, reliefbedingten Effekten die Rede sein, da die
niveaubedingten Einflüsse innerhalb des oberen Teiles der sub¬
alpinen Stufe keine so weitgehende Differenzierung erfordern.
Verursacht von den genannten Effekten, oder auch durch die
menschliche Bewirtschaftung beeinflußt, ergeben sich im Gelände
die beiden wesentlichen ..Verteilungsgesetze der Zonation und Suk¬
zession. Wenn auch diese beiden Gesetze an sich gleichwertig
nebeneinander bestehen, so wird doch gerade bei der Frage der
Neubegründung von Beständen der Frage der Zonation, des meist
reliefbedingten Nebeneinanders von ökologischen Einheiten, be¬
sonders Rechnung getragen werden müssen, in anderen Fällen aber,
z. B. bei der Blaikenbegründung, steht natürlich das Gesetz der
Sukzession im Vordergrund. Je schärfer einzelne Entscheidungs¬
faktoren junge Pflanzen anzugreifen vermögen, je mehr der Forst-
- mann,sich _deni Bereich der Minimumfaktoren nähert, umso eher
drückt sich das herrschende VeYt^ilurigsgesetzschon==in der^ Do¬
minanz der Begleitpflanzen aus. Dies trifft in besonderem Maße
für den Raum oberhalb der Waldgrenze zu, wo vor allem die
Klimafaktoren ohne die ausgleichende Schicht einer höheren Vege¬
tation direkt am Boden, bzw. am Pflanzloch anzugreifen ver¬
mögen, und damit zu einer scharfen Selektion unter den Pflanzen
führen. Es kann daher im oberen Teil der subalpinen Stufe die
Dominanz von Begleitpflanzen zur Kennzeichnung von Standorten
als für praktische Zwecke durchaus ausreichend angesehen werden.
Da es ja vor allem auf die Kennzeichnung der entscheidenden Ge¬
gensätze ankommt, kann auf die Benützung von Charakter- und
Differenzialarten im Großen und Ganzen verzichtet werden. Diese
Auffassung lehnt sich an die Verfahrensweise der schwedischen
Waldtypenlehre, an die Methoden Cajanders und Morosows an,
deren Berechtigung für das in vieler Hinsicht ähnliche Anwen¬
dungsgebiet im Hohen Norden, wo es sich ebenfalls um Lebens¬
grenzen handelt, nicht bestritten wird (14).

Die scharfe Konkurrenz darf bei einer naturnahen Waldwirt¬
schaft im Bereich der subalpinen Waldgrenze nicht übersehen
werden. Je höher man hinaufkommt, umso häufiger werden die
Extremstandorte, umso seltener hat die Natur den Wald als End¬
ziel ihrer Entwicklung im Auge; umso seltener werden die Samen¬
jahre der Holzpflanzen, umso langsamer das Wachstum und umso
häufiger die Schäden. Aber auch dort, wo der Wald noch durch¬
aus Endziel der Entwicklung sein würde, braucht die Natur für
menschliche Maßstäbe einfach zu lang für die Ausführung ihrer
Absicht und in allen diesen Fällen wird der Forstwirt mit Start¬
hilfen eingreifen müssen. Dadurch werden die Starthilfen zu einem
integrierenden Bestandteil der Aufforstungstechnik in der Kampf¬
zone und man wird sie, zur Erreichung "eines Wirtschaftszieles
innerhalb einer bestimmten Zeit, bei ökologisch richtiger Verteilung
auch nicht als naturwidrig ansehen dürfen. Es wird darauf noch
zurückzukommen sein.

Welche Entscheidungsfaktoren kommen nun für die Begren¬
zung der Lebensmöglichkeiten unserer Holzarten hier in erster
Linie in Frage? Eine weit größere Bedeutung, als bislang ange¬

nommen, kommt dem Faktor Wind zu. Der Wind behält näm¬
lich überall dort, wo Wald im Gebirge fehlt und die Taleinhänge
den entlang streifenden Gradientwinden zugänglich sind, seine
Schleppkraft bis in Bodennähe bei. Dadurch beeinflußt er ma߬
geblich die Niederschlagsverteilung, und, was noch wichtiger ist
im Hinblick auf die Höhenlage, die Schneeverteilung (2, 3, 7).
Alle windausgesetzten Grate** werden von ihm abgeblasen, sind
daher wintersüber Windbeanspruchungen und Bodenfrösten aus¬
gesetzt und der abgewehte Schnee wird in den anschließenden
Mulden meterhoch abgelagert. Diese großen Unterschiede in der
Schneeablagerung haben entscheidende Folgen für das pflanzliche
Leben in vieler Hinsicht: An Standorten hoher Schneebedeckung
sind die jungen Holzpflanzen starken Gleit- und Kriechschnee¬
beanspruchungen ausgesetzt, die Ausaperung verzögert sich um
Monate und der Winter weicht dort plötzlich bei höchstem Son¬
nenstand dem' Hochsommer und einer nur kurzen Vegetations¬
periode, ohne daß ein Frühjahr dazwischen eingeschoben wäre.
Die langanhaltende Schneebedeckung läßt auch eine gefährliche
Entwicklung der Schüttepilze zu, die insbesondere Fichten
(Herpotrichia nigra [Hartig]) und Zirben (Lophodermium
pinastri und Phacidium infestans [19]) tödlich zu treffen ver¬
mögen. Unter der Schneedecke erleiden ferner die Holzpflanzen
Stoffverluste durch Atmung, die nun in einer, gegenüber anderen
Standorten, stark verkürzten Vegetationsperiode wettgemacht
werden sollen (27). All diese indirekten Windwirkungen haben
jedenfalls ganz entscheidende Bedeutung für die Verteilung von
Holz- und Begleitpflanzen und diese Verhältnisse finden schlie߬
lich auch in einer klar zu erkennenden Zonation ihren Aus¬
druck (2, 7 a).

Des weiteren sind Überhitzung und Trockenheit zu nennen,
vielfach auch örtlich auftretende, meist reliefbedingte Gefährdun¬
gen, wenn z. B. sonnseitige Exposition, geringe Belüftung und
schlechte Wärmeleitung im Rohhumus zusammentreffen (2, 31).
Bei zu dichter Begleitvegetation kann schließlich das Licht ein
Faktor im Minimum werden, das ansonsten ja im Überschuß vor¬
handen ist (26). In weiterer Folge müssen noch die physikali¬
schen und chemischen Bodeneigenschaften als wich¬
tige Entscheidungsfaktoren genannt werden.

Alle groben Standortsunterschiede lassen sich klär in der Ver¬
teilung dominanter Begleitpflanzen erkennen. Etwa 30 bis 50
dieser Pflanzen sollen nun zur Kennzeichnung der Grenzstandorte
sorgfältig ausgewählt werden. In ökologischen Reihen, nach Ent¬
scheidungsfaktoren geordnet und den natürlichen Verbreitungs¬
bereichen der Hauptholzarten gegenübergestellt, ergeben sie die
sogenannten ökogramme, aus denen auch die jeweils zu treffen¬
den Maßnahmen zu ersehen sein werden (2, 4).

II. Zur Physiologie der in Frage kommenden Hauptholzarten

Bevor jedoch von der Methode näher gesprochen wird, ist auf
die besonderen physiologischen Eigenheiten der Hauptholzarten
kurz einzugehen, die von einer naturnahen Waldwirtschaft genau
so, wie die Standortseigenschaften, berücksichtigt werden müssen.

Als wichtigste Holzart für die subalpine Stufe des Innenalpen-
raumes ist hier wohl die Zirbe zu nennen, die, soweit es sich
um autochthone Exemplare handelt, auch stärksten Frösten stand¬
hält, = j e doch,^aus dein Pflanzgarten kommend, weitaus empfind¬
licher reagierte (28). Sie liebt einenTfriSclteh, nümosen ünd="nicht
verdichteten Boden und vermag auch Felsspalten zu besiedeln. Sie
ist ferner als ein ausgesprochen windharter Baum anzusprechen.
Leider kommt für ihre natürliche Verbreitung nur der Tannen¬
häher in Frage (Nucifraga caryocatactes), so daß an eine Natur¬
verjüngung dieser Hauptholzart oberhalb der derzeitigen Wald¬
grenze im Hinblick auf die seltenen Samenjahre innerhalb vertret¬
barer Zeiträume nicht zu denken ist (18). Dazu kommt noch die
verdämmende Wirkung dichter Alpenrosenbüsche, unter deren
Schirm bereits das Lichtminimum für die junge Zirbe erreicht
werden kann (26). Ihr langsames Wachstum ist vor allem in den
ersten beiden Dezennien zu berücksichtigen und bis zu' einer"
Höhe von 1 bis 2 m, also bis in ein Alter von 30 bis 40 Jahren, ist
sie besonders schüttegefährdet. Einer Verpflanzung in schnee¬
reiche Lagen wird daher auch bei gutem Ankommen wenig Erfolg
beschieden sein.

Die Lärche dagegen verliert wintersüber ihre Nadeln und ist
daher von diesen Pilzkrankheiten nicht bedroht. Als typischer
Rohbodenbesiedler (1) verlangt sie zumindestens nach einer Auf¬
lockerung des Rohhumus, womöglich aber eine Vermischung des
Mineralbodens mit dem Rohhumus. Allein dadurch werden ihrer
natürlichen Verbreitung in der Alpenrosen-Zwergstrauchheide enge
Grenzen gezogen (1), da sie in den dichten Hecken bodennaher
Vegetation hur schwer ein natürliches Keimbett findet. Sie kann
noch auf trockeneren Standorten, als die Zirbe, verwendet werden
und ist in jungen Jahren etwas kriechschneegefährdeter. Als tieri¬
scher Schädling ist vor allem der Lärchentriebwickler zu nennen
(13). Der Zirbe ist sie in ihrem Jugendwachstum spürbar über¬
legen und auch ihren Saaten ' dürfte von tierischen Schädlingen
weniger nachgestellt werden.

Als dritte Holzart kommt die Fichte in Frage, die am nörd¬
lichen Rand des inneralpinen Wuchsgebietes" an der Waldgrenze
vorherrscht, deren Bedeutung jedoch gegen das kontinentale Zen¬
trum dieses Gebietes zu deutlich nachläßt (29). Ohne hier im ein¬
zelnen auf die Eigenschaften unseres verbreitetsten und bekannte-