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Zur Hydrobiologie zentralalpiner Gletscherab... (1968)
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Sonderdruck aus

Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft in Innsbruck 1968
Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig K.-G., Leipzig

82. Gernot Bretschko :

Zur Hydrobiologie zentralalpiner Gletscherabflüsse

(Mit 4 Abbildungen)

Die meisten Fließgewässer der vergletscherten Gebiete der Alpen beginnen ihren
Lauf am Gletscherrand, im sogenannten Gletschertor. Diese enge Beziehung zum
Gletscher bedingt besondere hydrographische Eigenschaften, die diese Gewässer so¬
fort als Gletscherbäche ausweisen. Das biologische Bild ist durch eine extreme Arten-
und Individuenarmut geprägt. Noch 1907 beschreibt Steinmann den Gletscherbach
als völlig unbewohnt. Steinbock (1934. 1938) erkannte in der Larve der Chironomide
Brachydiamesa steinböcki eine ständige Bewohnerin des Gletscherbaches. Er konnte
diese Form bis unter das Getschereis verfolgen. Die eigenen Untersuchungen wurden
im inneren ötztal (Tirol, Österreich) im Rahmen der Alpinen Forschungsstelle der
Universität Innsbruck in Obergurgl ausgeführt.

1. P h y s i o g r a p h i e

Untersucht wurden an der orographisch rechten Seite des Gurglertales die Ab¬
flüsse des Gaisberg-, Rotmoos- und Langtalferners. Diese fließen etwa 400 m durch
das unbewachsene Gletschervorfeld, anschließend etwa 2000 m durch die relativ flach
geneigten und gut bewachsenen Talböden, über eine Steilstufe stürzen sie dann in
das Haupttal. Die Proben wurden im Gletschertor, am Vorderrand der großen Stirn¬
moränen und vor dem Steilabfall am Seitentalausgang entnommen (Abb. 1). An der
orographisch linken Talseite wurde der Abfluß des kleinen Lehnerferners in die
Untersuchung aufgenommen. Dieser Gletscherbach stürzt aus dem Gletschertor über
steile, unbewachsene Felsplatten und Geröll in ein 340 m tiefer gelegenes Kar. Von
hier fließt er über mehrere grasbewachsene Steilstufen in das 700 m tiefer liegende
Haupttal.

Geologisch wird das Gebiet aus Biotitplagioklasgneisen aufgebaut, die in einer
Schiingentektonik verfaltet sind. In dieses Grundgestein eingefaltet ist der soge¬
nannte „Schneebergzug", der wegen seines reichen Marmorgehalles von Interesse ist.
Gänzlich im Bereich des Schneebergzuges liegt der Gaisbergferner, z. T. der Rotmoos-
und Langtalferner. Dementsprechend ist die Gaisbergache relativ reich an Kalk
(Tab. 1), der Lehnerbach — auf der anderen Talseite — extrem kalkarm. Beim Leh¬
nerbach kommt noch .hinzu, daß sein Wasser reines Schmelzwasser ist, da unter die¬
sem Ferner keine Quellen austreten.

Auffallend ist die Ionenbilanz: Im Bereich des Schneebergzuges findet sich ein
hoher Anionenüberschuß. Welche Kationen außer Kalzium und Magnesium hier eine
Rolle spielen, konnte noch nicht geklärt werden. Mit dem Zurücktreten des Schnee¬
bergzuges im Einzugsgebiet tritt ein immer stärkerer Kationenüberschuß in Erschei¬
nung. Die fehlenden Anionen sind im wesentlichen Sulfat und in geringen Mengen
Chlorid.

Die überaus hohen Konzentrationsschwankungen — die Maximal- und Minimal-
werte im Verlaufe eines Jahres unterscheiden sich um mehr als 100%, siehe Tab. 1 —
erklären sich aus den starken Pegelschwankungen und aus der damit verbundenen
unterschiedlichen Herkunft des Gletscherbachwassers.